Das Europäisches Parlament (EP) hat für eine Verordnung gestimmt, die Betreiber von Online-Plattformen in der Europäischen Union (EU) dazu verpflichtet „terroristische Inhalte“ ohne einen richterlichen Beschluss bei Anordnung einer Behörde innerhalb einer Stunde zu löschen.
Von den 705 Abgeordneten des EP nahmen lediglich 68 Personen an der Abstimmung teil. Davon stimmten 54 Abgeordnete für den Entwurf der Verordnung, 13 dagegen und ein Abgeordneter enthielt sich.
Keine aktive Überwachung der Inhalte
Laut der neuen Verordnung müssen Betreiber von Plattformen veröffentlichte Inhalte nicht proaktiv überwachen. Auch automatische Werkzeuge wie die sogenannten Uploadfilter zur Kontrolle, der von Nutzer veröffentlichten, Inhalte sieht die Verordnung nicht vor.
Betreiber, die über terroristische Inhalte auf ihrer Plattform Kenntnis erlangen, sind aber umgehend dazu verpflichtet diese zu entfernen und weitere Maßnahmen vorzunehmen, um die zukünftige Verbreitung einzudämmen. Welche Maßnahmen dies konkret seien sollen, schreibt die Verordnung nicht vor. Die finale Entscheidung obliegt damit den Plattform-Betreibern.
Transparenzbericht über getroffene Maßnahmen
Überdies sieht die Verordnung einen jährlichen Transparenzbericht vor, in dem Diensteanbieter verpflichtend über die durchgeführten Maßnahmen gegen die Verbreitung terroristischer Inhalte informieren sollen.
Ausnahmen beim Transparenzbericht und der kurzen Löschfrist soll es lediglich für kleine und mittlere Plattformen geben. Diese müssen terroristische Inhalte lediglich zügig löschen, haben aber keine strikte Zeitvorgabe. Betreiber, die diese Ausnahme nutzen möchte, müssen dazu einen betrieblichen Grund vorlegen.
Plattformen außerhalb der EU ebenfalls betroffen
Grundsätzlich gilt die Verordnung des EP auch für Unternehmen wie Facebook, Twitter und YouTube, deren Hauptniederlassung außerhalb der EU liegt. Die Vorgehensweise zur Löschung von beanstandeten Inhalten unterscheidet sich aber dadurch, dass das Land, in dem die Hauptzentrale einer betroffenen Plattform sitzt, 24 Stunden hat, um den Löschantrag aus der EU zu prüfen.
Das Land kann dann entscheiden den Antrag zu bestätigen, was bedeutet, dass die Inhalte von der Plattform gelöscht werden oder den Antrag abzulehnen. Sollte der Antrag abgelehnt werden, ist die Plattform lediglich dazu verpflichtet, den Zugriff auf den fraglichen Inhalt für Nutzer aus dem EU-Land, aus dem die Löschanfrage kam, zu unterbinden.
Ähnlich wie bei Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) können bei Verstößen gegen Löschanfragen durch die Mitgliedsstaaten der EU Strafen verhängt werden, die vom Umsatz der Plattformbetreiber abhängen.
Verordnung umfasst viele Inhalte
Die neue Verordnung betrifft sowohl einfache Beitrage in sozialen Netzwerken, Foren und Webseiten als auch Ton- und Videoaufnahmen sowie Livestreams.
Gelöscht werden müssen alle Inhalte, welche direkt zu terroristischen Aktionen aufrufen aber auch Inhalte, die lediglich für entsprechende Organisationen werben und diese in einem positiven Licht darstellen. Außerdem sind Anleitung für terroristische Aktivitäten zum Beispiel für den Bau von Waffen oder Bomben ebenfalls enthalten.
Ausnahmen gelten für Inhalte, die einen erzieherischen, journalistischen, künstlerischen oder Forschungszweck dienen und die bei der Verhinderung oder Bekämpfung von Terrorismus helfen können. Dies umfasst auch satirische und polemische Inhalte, die zu einer Diskussion über sensible politische Fragen anregen können.
Bürgerrechtsorganisationen kritisieren Verordnung
Verschiedene Bürgerrechtsorganisationen darunter die französische Organisation La Quadrature du Net kritisieren die Verordnung stark. Vor allen die Ein-Stunden-Frist ist laut ihnen unrealistisch und nur durch wirtschaftlich große Plattformen umsetzbar.
Die möglichen hohen Geldstrafen zwingen laut der Organisation daher kleine Plattformen zu einem proaktiven Löschen eventuell problematischer Inhalte, obwohl dies in der Verordnung eigentlich nicht vorgesehen ist. In Frankreich wurde ein ähnliches nationales Vorhaben kürzlich durch das Verfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft.
Auch der Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) und die Grünen-Fraktion des EP, die gegen die Verordnung gestimmt haben, sehen in der neuen Verordnung laut einer Pressemitteilung eine Gefahr für Journalismus, Kunst und Wissenschaft und eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit im Internet.
Bevor die umstrittene Verordnung gültig wird, muss noch der EU-Rat und das Parlamentsplenum darüber abstimmen. Sollte auch diese Gremien für die Verordnung stimmen, wird diese nach 2 Monaten inkrafttreten.